Außerdem haben wir nunmal ein System der repräsentativen Demokratie. Das heißt, wir wählen Volksvertreter in der Hoffnung, dass sie sich Vollzeit mit den wichtigen Entscheidungen in diesem Land beschäftigen und sie treffen. Hoffentlich in unserem Interesse.
Das sie aber in unserem Interesse handeln, heißt nicht unbedingt, dass es offensichtlich auf kurzfristige Sicht auch unser Wille ist.
Ich als Steuerzahler fände es zum Beispiel auf kurzfristige Sicht klasse, einfach weniger Steuern zu zahlen, denn dann habe ich mehr netto und kann mir ein zweites Auto leisten und den Sprit, jede Strecke, die länger als mein Auto ist, auch fahren zu können.
Mein Volksvertreter aber sagt: Moment mal, du hast ja gar nicht weit genug gedacht. Du arbeitest Vollzeit und ich kann verstehen, dass du anderen Kram im Kopf hast, aber mich hast du ja gewählt, damit ich mich mit den Situationen befasse, die dir nicht in den Sinn kommen. Wenn du auf einmal Kinder kriegst. Ein Haus bauen willst. Dein Nachbar ein Haus bauen will, das dir Sonnenlicht aus deinem Garten wegnimmt. Du arbeitslos wirst. Deine Frau krank wird. Du barrierefrei verreisen willst. Es dir lieber ist, kein Geld wechseln zu müssen. Dein Arbeitsplatz erhalten bleibt. Auf deinem Weg zur Arbeit Schnee geräumt wird.
Und dann, welch Überraschung, der unbeliebteste Knackpunkt: Wer das alles bezahlen soll.
Und wenn ich mir ansehe, wie viele Leute auf den Straßen ins Fremdenfeindliche Horn der Boulevard-Blätter oder eines Thilo Sarrazin blasen oder bereit sind, den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen, um mit einem Lynchmob eine Polizeistation zu stürmen, wo ein mutmaßlicher Kinderschänder inhaftiert ist, der sich letztlich sogar noch als UNSCHULDIG herausstellte, dann bin ich froh, dass es noch Politiker gibt, die lieber "politisch korrekt" als populistisch sind, was ihnen vielleicht eine Wiederwahl sichern würde.
Was aber nicht heißt, dass es nicht auch mal hin und wieder unsinnige Gesetze gibt, ungerechte Lastenverteilungen in der Gesellschaft auftreten oder Steuergelder verschwendet werden. Ein System, das von Menschen für Menschen gemacht ist, ist eben nicht fehlerfrei und wird auch manchmal ausgenutzt.
Aber die gibt es in allen Schichten der Gesellschaft.
Vom kleinen Mann ganz unten, der seine Oma nicht tot meldet, um weiter ihre Rente zu kassieren, bis zum Manager, der sein Einkommen in die Schweiz oder auf die Cayman Islands am Fiskus vorbeischiebt.
Doch im Großen und Ganzen betreiben wir hier Jammern auf hohem Niveau.
Ich bin sicher, hier kennt auch jeder die uralte BILD-Schlagzeile: "Benzinpreis explodiert: Bald schon 1 Mark" von vor zig Jahren und trotzdem sind heute viel mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs. Also wird's so schlimm schon nicht sein.
Die Wähler täten aber öfter vielleicht auch mal gut daran, nicht nur die Plakate zu lesen, die überall hängen, wenn eine Wahl ansteht, sondern mal ins Parteiprogramm der Parteien zu gucken oder sich sonst durch Zeitungen und durchs Internet etwas zu informieren, was einen erwarten könnte, BEVOR sie das Kreuz machen, dann ist der Schock hinterher nicht ganz so groß.
Wer das aber nach der Bundestagswahl 2009 noch nicht begriffen hat, dem ist vermutlich eh nicht mehr zu helfen.
Übrigens: Wer nicht wählt, hilft den Falschen.