Stunden vergingen in denen Michael aufgeregt und gleichzeitig unentschlossen durch die ihm zugänglichen Bereich der Shelby-Gebäude ging. Zeitweise setzte er sich in die Cafeteria, trank einen Kaffee nach dem anderen und verlor sich immer wieder in vergangene Erinnerungen mit KITT.
Er machte sich Sorgen, Sorgen darum, ob KITT jemals wieder der alte sein würde, wenn der Transfer funktionierte, sorgen darum, ob der Transfer überhaupt funktionierte. Was wäre wenn etwas schief ginge und KITT irreparabel beschädigt würde.
Halb im Dämmerschlaf hing er wieder einmal seinen Gedanken nach, als eine Stimme aus den Lautsprechern der Cafeteria erklang.
“Mr. Knight, bitte melden Sie sich in Labor drei, Mr Michael Knight, bitte in Labor drei melden.”
Wie von der Tarantel gestochen sprang Michael auf, kippte dabei den Becher mit dem noch verbliebene Kaffee um, der noch auf dem Tisch stand, versuchte mit einer handvoll Servietten aus dem Serviettenspender auf dem Tisch, die Kaffeelache zu beseitigen und rannte schliesslich mit Kaffeeverschmierten Händen aus der Cafeteria in Richtung des genannten Labors.
Nervös drückte er auf die Klingel an der großen Stahltür und gab sich zu erkennen, als nach seinem Namen gefragt wurde. Kaum schwang die Tür auf stürmte er in das Labor und rannte beinahe Bonnie um, die ihm schon lächelnd entgegen kam. “Langsam Michael, wir sind fast fertig. Nur noch fünf Prozent. Es schaut ganz gut aus.”, begrüsste sie ihn.
“Hat alles geklappt bis jetzt?”, fragte Michael und schaute sich die beiden Trans Am Karossen an, zwischen denen eine Datenleitungen wie ein Transfusionsschlauch gespannt war.
Bonnie nickte zustimmend und zeigte auf ein Computerdisplay das den Status des Transfer anzeigte. Soeben sprang die Anzeige auf 96 Prozent um. “Diesmal scheint es zu klappen. Vor drei Tagen ist der Transfer bei nur 43 Prozent abgebrochen. Heute sind wir guter Dinge.”
Erneut sprang die Prozentanzeige um einen Punkt höher, als plötzlich der Motor des neuen Fahrzeuges ansprang. Ein Grinsen erschien in Michaels Gesicht. “Hey, hört sich doch gut an”, freute er sich. “KITT scheint es gut zu gehen.”
Argwönisch schaufelte Bonnie Daten auf ihrem Tablet hin und her. “Nein, das ist nicht gut. Eigentlich dürfte KITT im Transferstadium noch keine Kontrolle über den neuen Wagen haben. Irgend etwas stimmt da nicht.” Energisch wandte sie sich einigen Technikern zu. “Sofort den Transfer abbrechen. Kappen sie die Datenkabel. Ich bekomme hier sehr merkwürdige Werte.”
Ein lautes Aufheulen des Motors lies sie wieder zu den Fahrzeugen schauen, gerade noch rechtzeitig um aus dem Weg zu springen. Mit Vollgas setzte sich die neue Karosserie in Bewegung. Arbeitstische und Werkzeugwagen flogen scheppernd durch den Raum, Techniker sprangen aus dem Weg, Datenkabel wurden aus ihrer Verankerung gerissen. Kaum jedoch war das neue Fahrzeug von der letzten Datenleitung getrennt, blieb es mit quietschenden Reifen stehen. Der Motor erstarb und eine Totenstille setzte in der grossen Halle ein.
Mit zersausten Haaren bewegte sich Bonnie vorsichtig auf das neue Auto zu um sich ein Bild davon zu machen was passiert war, als plötzlich eine Tür aufflog und Devon und Mr. Shelby erschienen. “Was ist passiert Bonnie? Geht es ihnen gut?”, fragte Devon aufgeregt und schaute sich Haare raufend das Chaos an, dass KITTs neue Karosse verursacht hat.
“Ist jemand verletzt”, rief Bonnie in die Runde, doch jedem schien es gut zu gehen. “Alles in Ordnung Devon”, antwortete sie und schaute sich einige Daten auf ihrem Tablet an. “Das selbe wie letztes mal, einer der Schaltkreise scheint sich zu weigern seine Funktionen zu übergeben. Schande auf Wilton für seine verflixt perfekten Arbeiten.”
Auch Michael gesellte sich jetzt aufgebracht zu den Dreien. “Was heisst das selbe wie letztes mal? Hat dass der neue Wagen schon einmal gebracht?”, wollte er neugierig wissen.
“Nicht direkt”, antwortete Mr. Shelby an Bonnies stelle, damit diese sich weiter mit der Fehlerdiagnose beschäftigen konnte. “Das Fahrzeug fuhr zwar nicht los, fing aber unkontrolliert an mit seinen Türen und Klappen zu spielen, wenn man das so nennen darf. Ärgerlich nur, dass gerade einer der Techniker seine Finger dazwischen hatte. Der gute Mann kann jetzt für sechs Wochen nur noch seine linke Hand benutzen.”
“Mrs. Barstow, würden Sie sich das bitte einmal anschauen?”, meldete sich einer der Techniker zu Wort, der sich an KITTs derzeitiger Karosserie aufhielt um die dortigen System auf Schäden zu inspizieren.
Im Gänsemarsch bewegten sich alle vier auf KITT zu. “Schauen sie mal hier”, ergriff der Techniker erneut das Wort als alle sich um KITTs Motorraum versammelt hatten und auf ein Gewirr aus Leitungen und Platinen schauten, aus denen noch teilweise Reste einiger zerissener Datenleitungen hingen. Er zeigte auf die Zentrale Steuereinheit und eine direkt daneben liegende Platine, die zerbrochen war. Der abgebrochene Teil hing nur noch an einigen winzigen Datenleitungen der Platine und eine zerissene Transferleitung, die noch an die zentrale Steuereinheit angeschlossen war, versetzte dem noch intakten Teil der Platine leise britzelnde Stromstösse.
Bonnies Augen weiteten sich als sie den Schaden sah. “Schnell, schaltet KITT wieder ein. Das sieht verdammt noch mal nicht gut aus.”
Michael griff Bonnie fest am Arm und riess sie zu sich. “Was ist los, Bonnie? Was ist mit KITT?” Angst machte sich in ihm breit, Angst seinen besten Freund zu verlieren.
“Aua, Michael, du tust mir weh”, antwortet sie, entwand sich seinem Griff und eilte auf KITTs Fahrersitz. “Die zerbrochene Platine ist KITTs zentrale Datenbank für Information und Logik. Der Schaden ist schlimm, aber für unser Projekt nicht wichtig. Schlimmer sind die ganzen elektrischen Fehlimpulse, die die Platine in die ZSE schickt. Wenn die beschädigt wird ist KITT tot.” Sie lehnte sich aus dem Wagen. “Kann mal jemand das verdammte Datenkabel hier abziehen bevor ich KITT wieder aktiviere?”, rief sie hektisch den Technikern zu, die sofort das entsprechende Kabel abzogen. Schwarze Schmorspuren waren nun auf der defekten Platine zu erkennen.
Eilig drückte Bonnie einige Tasten auf dem Bedienfeld neben dem Fahrersitz und wartete was passierte. “Langsam und tonlos begannen einige Anzeigen auf KITTs Instrumentenbrett zu leuchten. Die LEDs der Voicebox blinkten wild und zeigten kein erkennbares Muster als KITT langsam und mit leiser Stimme zu sprechen begann. “Bonnie? Bist du es? Was ist passiert?”, tröpfelte die Stimme aus KITTs Lautsprecher. “Wo bin ich?”
Schnell stöpselte Bonnie eine Datenleitung an KITTs Serviceport, den sie mit ihrem Tablet verband auf dem schon eine Diagnosesoftware lief. “Bonnie....” erklang erneut KITTs träge Stimme als Bonnie ihn hastig abwürgte und wieder abschaltete. Die Instrumente in KITTs Cockpit erloschen und eine unheimliche Dunkelheit zog sich durch das ganze Instrumentenbrett.
“Bonnie was ist los”, fragt Michael erneut aufgeregt und hielt sich kramphaft an KITTs Fahrertür fest während er sich KITTs tote Displays anschaute.
Bonnie schaltet ihr Tablet ab und schaute allen tief in die Augen. “Die ZSE ist unbeschädigt. Aber diese Fahrzeug bietet für KITT keinen möglichen Funktionsraum mehr. Der Schaden am System ist nicht reparabel. Finden wir für KITT keine neue Funktionsumgebung ist es aus mit KITT.” Eine Träne rollte ihr über die Wange.
“Bonnie, dass kann nicht sein”, antwortete Devon mehr fragend. Der im Auftreten sonst so sichere Mann war plötzlich sehr nervös. “Wir konnten KITT bis her doch noch immer wieder aufbauen. Was macht da so ein kleiner Schaden?”
Bonnie wischte sich die Träne aus dem Gesicht. “Richtig Devon. Das ging aber auch nur, weil bisher weder die ZSE noch die Datenbank für Information und Logik zerstört wurden. Fehlt eine dieser Komponenten kann KITT nicht mehr funktionieren.” Sie stieg aus und ging ging wieder zum Motorraum des Trans Am, zog die defekte Platine aus Ihrem Anschluss und zeigte sie den Anwesenden. “Der Fall liegt hier etwas anders”, erklärte sie. “Normalerweise wird die Logikdatenbak von einem ähnlichen Gehäuse wie die ZSE geschützt. Für den Transfer mussten wir dieses aber entfernen um an die Ports auf der Platine zu kommen.”
Sie wandte sich um und ging auf das neue Fahrzeug zu. “Das Problem liegt weniger an den Daten auf der Platine, als eher an der Bauweise dieser. Die Chips benötigen eine ganz besondere Struktur, damit die Daten und Informationen schnell genug fliessen können um von der ZSE verarbeitet werden zu können. Nur leider können wir diese Chips nicht reproduzieren, da diese damals vom Militär beigesteuert wurden. Und die rücken nichts mehr heraus, was mit dieser Technik zu tun hat.” Erschöpft lehnte sie sich auf einen der Kotflügel des neuen Fahrzeugs. “Hier in diesem Fahrzeug ist die Logikdatenbank nur noch eine reine Software auf die die ZSE jederzeit und mit jeder gewünschten Geschwindigkeit zurückgreifen kann. Zum Glück konnten wir die Protokolle vorher vollständig überspielen. Wenn wir KITT nicht hier rein bekommen, ist es aus mit ihm.”
Mit einem Ruck wandte sie sich um und schaute nun verzweifelt in Michaels Gesicht. “Leider bin ich mit meinem Latein am Ende. Ich hab keine Ahnung, mehr wie wir KITT in das neue Fahrzeug bekommen. Der Versuch KITTs Hardware per Simulationstransfer in die neue CPU zu laden hat nicht funktioniert.” Erneut schaltete sie ihr Tablet ein und ging die Fehlerliste durch, die sie gerade noch aus KITTs Speicher auslesen konnte bevor sie ihn wieder abschaltet. “Laut den Daten hier scheint KITTs Alphaschaltkreis die ständigen Fehler beim Transfer zu verursachen. Die Adressräume sind untereinander nicht kompatibel. Das heisst, so werden wir KITT niemals in seine neue Heimat bekommen.”
“Vielleicht kann ich ihnen ja noch einmal helfen”, meldete sich Shelby leise zu Wort und winkte Bonnie und die beiden Männer zu einem Computerterminal, dass noch stehen geblieben war. Er tippte einige Codezeilen in die Kommandozeile ein und das Wort “GENESIS” erschien in grossen Lettern auf dem Display.
Bonnies Augen weiteten sich. Auch Devon brachte diese Anzeige sichtbar aus der Fassung. “Sie haben Zugang zu “GENESIS”?”, fragte Bonnie ungläubig.
“Ja klar”, erwiederte Shelby. “Vergessen sie nicht, dass ich mein Fahrzeug im Regierungsauftrag entwickelt habe.”
“Sie verdammter Mistkerl”, rief Bonnie und boxte Shelby energisch auf die Schulter. “Warum sagen Sie so etwas nicht früher. Damit hätten wir uns viel Arbeit ersparen können.”
“GENESIS ist streng geheim, das wissen Sie? Ich begebe mich allein schon damit, dass ich ihnen gezeigt habe, dass ich es benutzen kann auf sehr dünnes Eis”, erwiderte Shelby und rieb sich die Schulter, die Bonnie sehr schmerzhaft getroffen hatte.
“Könnte mir bitte einmal erklären was GENESIS ist und wie es KITT retten kann”, warf jetzt Michael in die Runde, der bei all den technischen Infos schon wieder den Faden verloren hatte.
“GENESIS ist ein streng geheimes Projekt der amerikanischen Regierung und des Militärs. GENESIS ist eine Software, die in Zusammenhang mit spezieller Hardware und einem Supercomputer in der Lage ist jede x-beliebige Hardware zu scannen, ihren Aufbau zu analysieren, und diese anschliessend in ein laufendes Softwareprotokoll umzuwandeln”, erklärte Devon jetzt wieder ganz britsch wie immer. “Dieses kann dann einfach per Datenleitung und ohne größere Umstände an jeden beliebigen PC weltweit geschickt werden. Sehr hilfreich, wenn man gestohlene Hardware ohne grosses Aufsehen ausser landes schaffen will. Der Empfänger braucht dann nur noch einen entsprechend Leistungsfähigen Rechner und hat die Möglichkeit kleiner Anpassungen an der ehemaligen Hardware vorzunehmen um diese schnell und effizient in bestehende Systeme zu integrieren.”
“Und der vorteil für KITT wäre es”, setzte Shelby die Erklärung fort, “dass er auf diese Weise jederzeit in ein neues System integriert werden könnte ohne jemals wieder Gefahr zu laufen sein “Ich” zu verlieren.”
“Aha”, erwiederte Michael nur und versuchte das soeben gehörte gedanklich zu verarbeiten.